Lorenzo Gregori als Putzpoet

Herr Gregori, Sie sind unter anderem als Dozent tätig. Wie reagieren die Studierenden auf das Material „Putz“ bzw. wie sind sie dem Thema „Putz“ gegenüber eingestellt? Haben sie Vorurteile?

Am Anfang der Start-Module sind die Vorurteile sehr groß. Mehr als die Hälfte der Studierenden assoziieren das Thema Putz mit klassischen WDV-Systemen. Im Weiteren beklagen sie sich, dass die Theoriebücher rar oder gar vergriffen sind. Nach der zweiten Vorlesung erkennen jedoch alle das kreative Potential, die Gestaltungsparameter im Innen- und Außenraum sowie das optimale bauphysikalische Wirkungsprinzip.

 

Was schätzen Sie besonders an den Möglichkeiten, die das Material Putz bietet?

Die Mischung, der Einsatz und die Verarbeitung von Putzmörteln und Farbanstrichen war und ist immer noch stets ein wichtiger und sehr bedeutender Arbeitsabschnitt in der Architektur. Ich schätze das Wechselspiel aller Putzmöglichkeiten auch in Kombination mit den Farbanstrichen, liebe die Spannung zwischen den sichtbaren und unsichtbaren Werten der Bauphysik, die Material-Suggestion, das Erarbeiten der Handwerks-Technik und die daraus resultierende Gestaltungs-Strategie für Architektur im Innen- und Außenraum.

 

Im Oktober eröffnen Sie eine Ausstellung zu Putzen und Farben in Zürich. Was hat Sie dazu bewegt? Worauf dürfen wir uns freuen?

Die Ausstellung vom 10. Oktober – 8. November 2019 in der „schweizerischen Baumuster Centrale Zürich (SBCZ)“ steht im Zeichen des differenzierten und nachhaltigen Verputzdesign. Es geht uns primär darum, die Schönheit und Gestaltungsbreite der Putze zu zeigen. Die Besucher können sich auf Referate des Architekturbüros „Knapkiewicz & Fickert“, auf Thomas Klug von Keimfarben und über viel Verputzdesign, Innovationen und zukunftsweisende Materialdialoge freuen. Aufgrund der Vielfalt dauert die Ausstellung einen Monat.

 

Wie viel poetische Kraft steckt in einer guten Putzfassade?

Putzfassaden haben enorm viel poetische Kraft. Farben, Formen, Texturen, die Haptik und das Material selbst erzeugen Spannung, wecken Emotionen und schaffen Harmonien. Ich persönlich erschaffe Neues, indem ich auf Altbewährtes, wie Kalk-Zementputze, Wasch-und Kratzputze und die ältesten und Farbklang stärksten Silikatfarben Europas, zurückgreife. Das Resultat sind Oberflächen, die visuelle und fühlbare Oberflächendesigns und Atmosphären zum Ausdruck bringen. Die poetische Kraft der Putze besteht aus meiner Sicht darin, dass Fassaden, die beispielsweise von der Natur inspiriert sind, lebendig im reizenden Wechselspiel zwischen Licht, Schatten, Farbwirkung und Witterungsschutz stehen.