Interview mit Florian Bauer

Was macht eine gute Putzfassade aus?

Eine gute Putzfassade ist ehrlich und sinnlich. Sie lebt vom Handwerk – vom Rhythmus der Hände, die sie Schicht für Schicht aufgetragen haben. Putz ist weit mehr als nur Schutz – er zeigt Haltung, verleiht Charakter. Wenn er gut gemacht ist, spricht er leise, aber eindrucksvoll. Er lässt ein Haus in Würde altern – nicht stillstehen, sondern mit dem Ort mitgehen.

Wie viel poetische Kraft steckt in einer guten Putzfassade?

Sehr viel. Putz ist ein stilles Material – zurückhaltend, aber voller Ausdruck. Über seine Haptik, seine Struktur und das Licht, das auf ihm spielt, entsteht eine unmittelbare Verbindung zum Ort. In seiner Reduktion liegt die Poesie: Er erzählt von Zeit, von Wetter, von Gebrauch. In einer Welt, die auf Tempo, Effizienz und makellose Oberflächen ausgerichtet ist, wirkt Putz fast entschleunigend. Er ist nicht glatt, nicht perfekt – und gerade darin liegt seine Stärke. Das Einfache gewinnt an Tiefe, wenn es handwerklich gedacht und sorgfältig ausgeführt ist. Wer genau hinschaut, entdeckt in einer Putzfassade oft mehr, als er erwartet hätte.

Was kann Putz, was andere Fassadenmaterialien nicht können?

Putz ist offen für Spuren – für Witterung, für Licht, für Alter. Anders als industrielle Materialien ist Putz nie glatt oder anonym. Er lebt mit dem Gebäude mit, verändert sich. Er lässt sich immer wieder reparieren – und bleibt dabei authentisch.

Was sind Ihre persönlichen Putz-Favoriten hinsichtlich Farbe und Struktur?

Ich mag Putze, die etwas erzählen. Grobe Strukturen, sichtbare Körnung, leichte Unregelmäßigkeiten – sie geben Tiefe. Farblich bevorzuge ich warme, erdige Töne, die sich einfügen, nicht dominieren. Putz sollte nie aufdringlich sein – sondern selbstverständlich wirken, wie etwas, das einfach da ist, weil es zum Ort gehört.

Welche Botschaft zum Thema Putzfassade haben Sie für Architektinnen und Architekten?

Ich bin selbst ein junger Architekt – spreche also nicht aus dem Repertoire eines etablierten Büros. Aber vielleicht gerade deshalb: Vertraut dem Einfachen. Bei einem meiner letzten Projekte habe ich selbst auf der Baustelle mitgearbeitet – unter anderem bei der Ausführung der Putzfassade. Erst dabei habe ich wirklich verstanden, wie viel Wissen, Technik und Erfahrung in diesem scheinbar einfachen Material steckt.

Putz ist enorm vielfältig. Es gibt unzählige Techniken – von rau bis geglättet, von gekratzt bis gerieben. Entscheidend ist, dass die Putzfassade im Entwurf von Anfang an mitgedacht wird – und nicht als spätere Notlösung dient. Nur dann kann dem Putz die Bühne gegeben werden, die er verdient.

Eine gut gemachte Putzfassade ist kein Kompromiss – sie ist ein Statement. Ihre Wirkung liegt in der Tiefe, in der Ruhe, in der Substanz. Putz verlangt Sorgfalt, ja – aber er schenkt etwas sehr Kostbares: Atmosphäre.